Los­las­sen: Tag 4

Eine Kurz­ge­schichte:

Der Bauer und sein Pferd

In ei­nem Dorf in China, nicht ganz klein, aber auch nicht gross, lebte ein Bauer – nicht arm, aber auch nicht reich, nicht sehr alt, aber auch nicht mehr jung, der hatte ein Pferd. Und weil er der ein­zige Bauer im Dorf war, der ein Pferd hatte, sag­ten die Leute im Dorf: „Oh, so ein schö­nes Pferd, hat der ein Glück!“

Und der Bauer ant­wor­tete: „Wer weiß?!“

Ei­nes Ta­ges, ei­nes ganz nor­ma­len Ta­ges, kei­ner weiß wes­halb, brach das Pferd des Bau­ern aus sei­ner Kop­pel aus und lief weg. Der Bauer sah es noch da­von­ga­lop­pie­ren, aber er konnte es nicht mehr ein­fan­gen. Am Abend stan­den die Leute des Dor­fes am Zaun der lee­ren Kop­pel, man­che grins­ten ein biss­chen scha­den­freu­dig, und sag­ten: „Oh der arme Bauer, jetzt ist sein ein­zi­ges Pferd weg­ge­lau­fen. Jetzt hat er kein Pferd mehr, der Arme!“

Der Bauer hörte das wohl und mur­melte nur: „Wer weiß?!“

Ein paar Tage spä­ter, sah man mor­gens auf der Kop­pel des Bau­ern das schöne Pferd, wie es mit ei­ner wil­den Stute im Spiel hin und her­jagte: sie war ihm aus den Ber­gen ge­folgt. Gross war der Neid der Nach­barn, die sag­ten: „Oh, was hat der doch für ein Glück, der Bauer!“

Aber der Bauer sagte nur: „Wer weiß?!“

Ei­nes schö­nen Ta­ges im Som­mer dann stieg der ein­zige Sohn des Bauer auf das Pferd, um es zu rei­ten. Schnell war er nicht mehr al­leine, das halbe Dorf schaute zu, wie er stolz auf dem schö­nen Pferd ritt. „Aah, wie hat der es gut!“
Aber plötz­lich schreckte das Pferd, bäumte sich auf und der Sohn, der ein­zige Sohn des Bau­ern fiel hin­un­ter und brach sich das Bein, in viele kleine Stü­cke, bis zur Hüfte. Und die Nach­barn schrien auf und sag­ten: „Oh, der arme Bauer, sein ein­zi­ger Sohn! Ob er je­mals wie­der wird rich­tig ge­hen kön­nen? So ein Pech!“

Aber der Bauer sagte nur: „Wer weiß?!“

Ei­nige Zeit spä­ter schreckte das ganze Dorf aus dem Schlaf, als ge­gen Mor­gen ein wil­des Ge­trap­pel durch die Stras­sen lief. Die Sol­da­ten des Herr­schers ka­men in das Dorf ge­rit­ten und hol­ten alle Jun­gen und Män­ner aus dem Bett, um sie mit­zu­neh­men in den Krieg. Der Sohn des Bau­ern konnte nicht mit­ge­hen. Und so man­cher saß da­heim und sagte: „Was hat der für ein Glück!“

Aber der Bauer mur­melte nur: „Wer weiß?!“

Nach oben scrollen